10
Apr
2015

Printemps

Es ist wohl wirklich die schönste Zeit des Jahres. Steigt man die mittelalterlichen Gassen von Sion hoch, die so schön sind, dass man seine Schritte immer noch ein wenig mehr verlangsamen will, um die immer neuen Ein- und Ausblicke nicht zu schnell aufeinander folgen zu lassen, befindet man sich schliesslich doch beim letzten Haus auf dem Hügel, aus dessen Garten ein Kirschbaum ragt. Rosarote Blüten senden ihren Duft aus; der Baum ist alt; man spürt, dass seine Tage bald gezählt sind. Aus knorrigen Ästen blüht es und die jungen Blätterknospen springen auf… Ein schmaler Pfad schlängelt sich nun am Fuss des Schlosshügels. Weiss wie Schnee leuchten jetzt die Sträucher. Es müssen Pflaumenblüten sein wie im Garten der Kindheit. Es sind unzählige. Versuche, Fotos zu machen, sind zum Scheitern verurteilt, und auch diese Sätze hier sind wohl nur ein Memento für mich: An solchen Momenten des Glücks festzuhalten. Sich wieder daran zu erinnern, wenn die Blüten in Pfützen schwimmen, in kleinen Bächen zu Tal geschwemmt werden. Im Sommer wird die Sonne hier das Gras gelb verbrennen, und ich weiss nicht, ob man im Herbst die Früchte von den Sträuchern pflücken kann.

Morgen dann das Rilke-Museum besuchen.

Kapitel 2 (Anfang)

Thomas war hellwach. Wie immer seit Wochen erfüllte ihn beim Aufwachen eine Panik, Blitze der Erkenntnis prallten auf sein Hirn. Er starrte durch das kleine Ofenfenster auf eine leise werdende Glut; Zigarette, Kaffee, Zigarette hiess ansonsten die Zauberformel, aber er wusste ja, dass er nicht alleine war. Er faltete die Wolldecke zusammen, die auf seinen Schenkeln gelegen war und legte sie auf die Armlehne. Die Luft im Raum war abgestanden; Thomas verlangte nach dem harzigen Geruch des Fichtenholzes, dem Knacken, dem Aufzischen des Saftes. Er öffnete mit dem russigen Hacken die Türe und starrte auf die Asche, auf der sich die Seiten eines Taschenbuches wellten, es war, als ob Buchstaben schweben würden, dunkelgrau auf grau; sie tanzten einen letzten Tanz.

7
Apr
2015

Boire un verre

Cafe

Heute lassen wir einfach ein Bild sprechen…

Fünf Minuten leichten Aufstiegs trennen mich von meinem Feierabendbier im «Café du 1er août». Ouvert tous les jours…

http://www.cafedu1eraout.ch/

6
Apr
2015

Brief ins Flachland

Ich habe mir vorgenommen nebst der eigentlichen Arbeit jeden zweiten Tag oder so ein paar Zeilen in diesem Tagebuch – oder sind es eher öffentlichen Briefe? – zu schreiben. Der Ostermontag ist sehr still hier. Die Mitbewohner in der Villa Ruffieux sind (1) bei der Familie in Frankreich, (2) noch immer mehr oder weniger im Jet Lag (aber wenn wach sehr herzlich) und (3) noch nicht angekommen. Wenn ich nicht mit meinem Notizbuch im Garten schreibe, sitze ich einer weissen Wand gegenüber – der hauseigene iMac summt leise. In meinem Rücken singen die Vögel. Die Gärtner haben heute frei. Es ist Mittag und ich schreibe jetzt dann weiter an meiner «Berggeschichte». Die Lektüre ist dem Briefwechsel des französischen Schriftstellers Georges Perec mit seinem Übersetzer Eugen Helmlé gewidmet. Perec inspiriert natürlich immer zu eigenen Sprachexperimenten, und auch wenn unser «Schriftsteller-Stammtisch» nie glücklich wurde mit Palindromen und Lipogrammen, die ich ihnen vorgesetzt habe, werde ich auch daran weiter arbeiten...

Und natürlich die Geistergeschichte!

PS. Ich freue mich über den Artikel im «Kulturzeiger» des Solothurner Kuratoriums: http://www.felu.ch/kulturzeiger-03-15_epper.pdf

Dort wird auch verraten, wie man sich für einen Atelier-Aufenthalt in der Villa Ruffieux in Sierre bewerben kann…

2
Apr
2015

Château Mercier II

Impression aus dem nächtlichen Wintergarten

Das Lichtspiel der Lampen im Wintergarten. Das Knarren von Treppen (unvertraut). Das Schrauben an Kaffeemaschinen (sehr vertraut: Bialetti). Das Drehen von alten Schlüsseln. Das Einweichen von Duschdüsen in Essigwasser. Das Suchen nach einer Körperhaltung im etwas kurzen Bett. Das Nachschenken von Wein (Johannisberger). Das Einsinken des Stuhles im Holzboden des Balkons. Das kleine Erschrecken deswegen. Das Sprechen auf Französisch. Das Tropfen des abtauenden Eisschrankes. Das Kleinschneiden der Brunoises für das Abendessen. Das Vögeln der Vögel draussen (unaufhörlich). Das Zusammendrahten des Macintosch. Das Schreiben von einigen Seiten. Das Zählen der Tage (noch einfach: zwei).

Château Mercier

«Es war spät abends, als K. ankam. Das Dorf lag in tiefem Schnee. Vom Schloßberg war nichts zu sehen, Nebel und Finsternis umgaben ihn, auch nicht der schwächste Lichtschein deutete das große Schloß an. Lange stand K. auf der Holzbrücke, die von der Landstraße zum Dorf führte, und blickte in die scheinbare Leere empor.»

Es war früher Nachmittag, als F. ankam. Die kleine Stadt lag im Sonnenschein; der Schnee hatte sich auf die hohen Berggipfel zurückgezogen. Vom Schlossberg allerdings war nichts mehr zu sehen. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde er abgetragen, Wasser- und Gasleitungn gelegt, Steine aus aller Welt per Eisenbahn gebracht und innert weniger Jahre entstand das Château Mercier. Lange sass F. auf der Holzbank vor der Villa Ruffieux im Schlosspark, wo ihm ein Zimmer verprochen war und sah den Gärtnern zu, die Oleander auf Gabelstaplern bewegten; die Rosenbeete zu seinen Füssen zeigten keinen Makel. Es gibt viel Land zu vermessen, dachte F.; dann hörte er das Pfauenmännchen schreien und ein grandioses Rad enfaltete sich. Die Audienz beim Schlossherren verzögerte sich, doch das war F. nur recht. Kafka flatterte davon wie das Heer von Spatzen aus den Löchern der Volière. F. wusste, er würde seinen Dienst antreten. Ein kurzer Rapport pro Tag gehörte natürlich dazu. Er zückte den Bleistift…

23
Feb
2015

Anagramm Enzyklopädie

2015 wird das Jahr des Anagramms in der Schweiz. Verschiedene Projekte und Netzwerke kommen ins Rollen. Pioniere der Wortkunst und neue KünsterInnen melden sich zu Wort.

Da ist zum Beispiel Carol Baumgartner. Sie experimentiert mit verschiedenen Arten des Anagramms in unterschiedlichen Medien und sammelt ihre Arbeiten auf ihrer Webseite.

Die Enzyklopädie öffnet sie aber auch anderen Künstlern und vernetzt auf diese Weise Anagrammatiker.

Die Webseite ist eine Plattform für Anagramme aller Art. Wortspieler können hier ihre Beiträge einreichen, sich inspirieren lassen, Ideen teilen, Literatur und Links vorschlagen.

http://anagrammenzyklopaedie.ch/index.html

6
Nov
2014

Der Puck

Man muss hier eine Lanze brechen für die Reclam-Bändchen mit zeitgenössischer Literatur. Ob Bichsel (mit Raritäten im Band "Stockwerke"), Artmann oder Gerhard Meier: Alles alles wunderbar. Am wunderbarsten fast "Der Puck" von Hermann Burger, post mortem 1989, von Adolf Muschg klug kommentiert, herausgegeben. Begleiten Sie die "Leser auf der Stör". Die Leser auf der Stör sind hilfreiche Menschen, die wie Klavierstimmer herrschaftliche Villen heimsuchen und den Herren und Damen des Hauses die Lektürearbeit abnehmen. Oder lassen Sie sich begeistern von der "Wasserfallfinsternis von Badgastein", einem von Burgers perfektesten Texten. Der Zauberer und Worterfinder Burger bleibt dabei immer nahe an meinem Herzen, nichts ist da gekünstelt oder papierern (man wirft ihm das zuweilen vor... der Teufel weiss wieso.) Die Titelgeschichte "Der Puck", das "Eismärchen", eine Verwandlung in Ovid'scher Schönheit müssen Sie lesen! Versprechen Sie mir das?

Burger, Hermann: Der Puck. Reclam, 1989 .

Die Häuser abgebrochen, die Gärten zugeschüttet.

Insassen

Natürlich habe ich dies Buch aus dem kleinen Rauhreif-Verlag auch Jahre nach dem Erscheinen noch in der Buchhandlung Kaligramm im Zürcher Niederdorf gefunden. Wo denn sonst? ---- Texte von Christine Trüb haben mich über Jahre begleitet. Regelmässig schrieb sie in der Wochenend-Beilage der NZZ auf der wunderbaren Panoramaseite mit literarischen Texten: ein papierener Teppich, der mich über Sams- und Sonntage trug (Religionsersatz-in den 90ern - leider, leider abgeschafft, weil's nicht rentierte...). Hier ist Trübs Erstling u.a. mit dem wundersamen Text "Insassen" und dem Schauplatz Bellelay im Jura. Ein Kind trifft die "Gemütskranken" der Anstalt, einem ehemaligen Kloster. Der Rest der Welt bleibt ihm verwehrt; die Gehöfte der Bauern der Umgebung wird die Erzählerin erst als Erwachsene sehen. Gespiegelt und gebrochen ist der Zauber in einer Sprachwelt behutsamer Wahrnehmung des Kleinsten, Unbedeutensten. Verwandt ist das schmale Buch mit den Werken anderer Schöpfer "kleiner Literatur" Gerhard Meier und Robert Walser etwa. Walser Schwester Lisa war ja auch tätig in der Anstalt Bellelay, man erinnert sich während der Lektüre an Simon Tanners Spaziergang. Christine Trüb webt den Stoff weiter...

Trüb, Christine: Die Häuser abgebrochen, die Gärten zugeschüttet. Rauhreif, Möhlin und Villingen, 1996 . ISBN: 3-907764-26-9.

2
Nov
2014

Buchvernissage "Solothurner Lesebuch"

Solothurner_Lesebuch

Mittwoch, 05.11.2014, 20:00 Uhr im Buchhaus Lüthy, Solothurn

Buchvernissage "Solothurner Lesebuch"

Ein neues und vielfältiges Lesevergnügen für und über die Stadt Solothurn. Es lesen: Elisabeth Pfluger, Felix Epper und Reto Stampfli. Erschienen im Kulturbuchverlag herausgeber.ch, Bern. sFr. 34.00

Anagramm-Bild*

Bevor sich die Buchstaben wieder in blauem Dunst auflösen.

Anagramm_Raucher

* Anagramme sind Buchstabenversetzspiele. Jedes Zeichen der Ausgangszeile, auch "Programma" genannt, muss in jeder weiteren Zeile wieder erscheinen.

24
Okt
2014

Beitrag in der Wochenzeitung

Woz_23_10_14
Night of the living dead

lieber epper als niemert

Betrachtungen. Manchmal Urteile.

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Meine Kommentare

Kafkas Reisetagebuch,...
Kafkas Reisetagebuch, Paris, 11. September 1911. «Auf...
noemix - 4. Nov, 11:44
Merci beaucoup! A suivre...
Merci beaucoup! A suivre ici: https://epper.twoday.net/st ories/1022422362/
Epper - 23. Apr, 18:51
Bis vor kurzem war ich...
Bis vor kurzem war ich der festen Überzeugung, dieser...
froggblog - 2. Apr, 17:34
en printemps…
Lieber nicht leben wie der Panther. Diese pathetische...
froggblog - 14. Okt, 20:39

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